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Natur- und Denkmalschutz
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Wiederbelebung am Rennsteig: Die Hochmoore des Thüringer Waldes
Nach Gletschern wird man entlang dem Rennsteig vergeblich suchen — dafür können der Thüringer Wald und das Thüringer Schiefergebirge mit einer anderen ökologischen Rarität aufwarten: Den Hochmooren, die dort in verschiedenen Erscheinungsarten und Größen vorkommen, teils klein und versteckt, manchmal aber von beeindruckenden Ausmaßen. Wie die Gletscher im Hochgebirge sind sie als Wasserspeicher für den Naturhaushalt und damit auch für uns Menschen von großer Bedeutung.
Ihre Entstehung verdanken sie den reichlichen Niederschlägen am Mittelgebirgskamm, den dadurch vernässten sauren Böden und den kühlen Temperaturen. Den meisten Pflanzen ist das zu ungemütlich, aber für ein paar Spezialisten gerade richtig: Torfmoos (Sphagnum) in der Hauptsache, aber auch Wollgräser, Heidel- und Moosbeerkraut und der fleischfressende Sonnentau. Keine Angst, ihm genügt hin und wieder eine Mücke als Futter. Sterben die Moorpflanzen ab, verhindert die saure Bodenbeschaffenheit ihre Zersetzung; sie werden mumifiziert oder, auf deutsch gesagt, sauer eingelegt und dadurch haltbar. Dieses natürliche Sauerkraut nennt man Torf, und der musste in der schlechten alten Zeit oft als Brennmaterial herhalten, wobei die Moore entwässert und dadurch schwer geschädigt wurden.
Diese wertvollen Biotope wiederzubeleben hat sich die Thüringer Forst- und Naturschutzverwaltung in den letzten Jahren zum Ziel gesetzt. Für mich als frischgebackenen Hauptnaturschutzwart des Rennsteigvereins war es deshalb ein großes Glück, von Herrn Andreas Henkel, dem Naturschutzfachmann der Landesforstdirektion Oberhof, am 20. Juni 2002 zu einer Begehung "seiner" Moore mitgenommen zu werden. Beim Parkplatz am Dreistromstein bei Friedrichshöhe trafen wir uns mit einer hochrangigen Versammlung von Forstbeamten und ABM-Projektleitern, die erfahrenen Profis zogen sich Gummistiefel an, und ab ging's in den Wald zur ersten "Baustelle", dem kleinen Quellhangmoor am Alsbacher Weg.
Die etwa fußballfeldgroße Fläche war vom Alsbacher Revierförster, Herrn Dragoschy, bereits markiert und von einem Teil des Baumbestandes befreit worden (warum das wichtig ist, wird später erklärt). Während alle eifrig die lästigen Mücken fortwedelten und trockene Stehplätze suchten, um nicht einzusinken, stieg Herr Henkel gleich in die alten Entwässerungsgräben und erklärte, wie die Anstauung durch ein System von Bohlendämmen bewerkstelligt werden solle: Dicht hintereinander gestaffelt, nach links und rechts weit in den Boden reichend, damit das ablaufende Wasser in die Fläche zurücksickert. Die Moorpflanzen sollen sich dadurch erholen, die Gräben langsam zuwachsen und so die Wunden im Körper des Moores sich wieder schließen.
Ähnlich beim nächsten Ortstermin, dem Saarmoor oberhalb von Siegmundsburg. Es ist nur etwa halb so groß wie das Moor am Alsbacher Weg, auch wird es von keiner Quelle gespeist, weshalb man den Baumbestand ganz entfernt hatte. Das ist nämlich das Problem: Bäume saugen die Feuchtigkeit tief aus dem Moorboden heraus und geben sie an die Atmosphäre weiter, halten obendrein mit ihren Kronen das benötigte Niederschlagswasser ab und hindern mit ihrem Schatten das Torfmoos am Wachsen. Nachdem gemeinsam mit der Revierleiterin aus Steinheid, Frau Hölzer, die günstigsten Stellen für die Bohlendämme ausgesucht und von ihr mit grüner Sprühfarbe markiert worden waren, machten wir auf der Rückfahrt noch einmal Halt bei den Soldatengräbern am Dreistromstein. Der junge Revierleiter Herr Hurtig wartete
dort im Türkengrund auf uns, er hatte an einer Moorfläche einen Bohlendamm errichtet: Ob das richtig sei so? — Das Modell wurde ausgiebig begutachtet und erörtert. Ich warf zum Abschied noch einen Blick auf die Soldatengräber: Gefallen am 10./11. April 1945. Wozu?! Der jüngste der begrabenen Landser könnte heute noch leben.
Für den Schluß hatte sich Herr Henkel das Beste aufgespart. Über Stock und Stein, denn für Forstleute sind Waldwege nicht verboten, fuhren wir zum Schneekopf-Moor. Ein Hochmoor wie aus dem Bilderbuch!, entfuhr es mir. Herr Henkel schmunzelte und nickte: Bis vor zwei Jahren sei hier noch dichter Fichtenbestand gewesen. Dann habe Dr. Jeschke, einer der namhaftesten Hochmoor-Experten Deutschlands, sich des Projekts angenommen und festgestellt, Bäume gehörten nicht auf diese Fläche. Er wies nach, dass hier von Natur aus nie welche gestanden hatten, auch sei ohne großflächigen Kahlschlag dieses reine Niederschlagsmoor nur schwer zu revitalisieren. Gegen anfängliche Widerstände wurde schließlich der Wald abgeholzt und mit Seilkrantechnik abtransportiert, um den Moorkörper nicht noch
mehr zu schädigen; die Abflussgräben wurden gestaut. Und was kaum einer für möglich gehalten hätte, sei jetzt klar und deutlich zu sehen: Das Moor fange wieder an zu leben. Herr Henkel und Herr Reh von der ABM-Projektgruppe, beide damals an der Neugestaltung beteiligt gewesen, führten mich über den weichen Torfboden und betrachteten zufrieden die Heidelbeer- und Moosbeerflächen, die neugewachsenen grünen Torfmoos-Inseln, das sich im Winde wiegende Wollgras. Am Rande der uhrglasförmig emporgewachsenen Fläche, die vor viereinhalbtausend Jahren in einer kleinen Bodenmulde begonnen hatte und nun fast das ganze Hochplateau bedeckte, sah man mit dunklem Moorwasser gefüllte Spalten, die sogenannten Schlenken: Hier waren Teile des Moores langsam nach außen weggebrochen. Wie ein kalbender Gletscher?, fragte ich. Herr Henkel fand den Vergleich nicht schlecht.
Das Hochmoor auf dem Schneekopf im Sommer 2003
Ob denn diese Moorfläche gesperrt sei fürs Publikum, wollte ich noch wissen. Leider gehe das nicht anders, meinte Herr Henkel. Es werde aber gerade darüber diskutiert, ein Hochmoor mit Bretterstegen für Wanderer herzurichten, gar nicht weit von hier, am höchsten Berg... — Etwa am Großen Beerberg? — Richtig, meinte da Herr Reh, an Plänckners Aussicht.
Jetzt war ich aber bedient. Eine solche naturkundliche Attraktion direkt am Rennsteig! Es macht in unserer Zeit wirklich Freude, sich für den Naturschutz einzusetzen, weil man ständig kleine Erfolgserlebnisse haben kann. Wir Rennerinnen und Renner sollten uns dafür stark machen, dass die wandernde Öffentlichkeit an Plänckners Aussicht bald eine weitere Perle auf der Schnur unseres Höhenweges besichtigen darf.
Ullrich Göbel
Endlich: Rennsteig unter Denkmalschutz gestellt !
Mit der nachstehend zitierten Eintragung in das Denkmalbuch des Freistaates Thüringen (ThürStAnz Nr. 30/1999, S. 1665-1666) ist der Rennsteig in voller Länge unter Denkmalschutz gestellt worden.
Eintragung von Denkmalensembles in das Denkmalbuch
Bezug: gemäß § 2 Abs. 2 ThDSchG in der Fassung vom 07.01.1992 (GVBl. S. 17 ff.)
Ausweisung am 23.09.1997 z.H.
- Thüringer Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur,
- Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt,
- Thüringer Innenministerium,
- Thüringer Landesverwaltungsamt/Obere Denkmalschutzbehörde u. Landesvermessungsamt,
- Landrat des Wartburgkreises,
- Landrat des Kreises Schmalkalden-Meiningen,
- Landrat des Kreises Gotha,
- Oberbürgermeister der Stadt Suhl,
- Landrat des Ilm-Kreises,
- Landrat des Kreises Hildburghausen,
- Landrat des Kreises Sonneberg,
- Landrat des Kreises Saalfeld-Rudolstadt,
- Landrat des Saale-Orla-Kreises erfolgt;
Ausweisungskriterien nach dem Thüringer Denkmalschutzgesetz:
§ 2 Absatz 3 ThDSchG — "bauliche Gesamtanlage",
Geltungsbereich:
Gesamter Streckenabschnitt innerhalb und auf den Landesgrenzen des Freistaates Thüringen
(Stadt- und Landkreise Wartburgkreis, Schmalkalden-Meiningen, Gotha, Suhl, Ilm-Kreis, Hildburghausen, Sonneberg, Saalfeld-Rudolstadt, Saale-Orla-Kreis)
von 99819 Hörschel (Rennsteig-km 0,0) bis 07366 Blankenstein/Saale (Rennsteig-km 168,3).
Aufgrund des auf den Freistaat Thüringen begrenzten Geltungsbereiches des Thüringer Denkmalschutzgesetzes (ThDSchG) bleiben die im rechtlichen Zuständigkeitsbereich des Freistaates Bayern befindlichen Streckenabschnitte von dieser Ausweisung als Kulturdenkmal unberührt.
Folgende Abschnitte des "Pläncknerschen Rennsteiges" sind noch weitgehend im originalen Zustand erhalten. In diesen Abschnitten reicht der Gültigkeitsbereich des Kulturdenkmalensembles auf beiden Seiten des Rennsteiges jeweils 50 Meter:
- Hörschel — Clausberg
- Vachaer Stein — Glasbach
- Gr. Weißenberg — Gr. Jagdberg bis Abzweig zur Tanzbuche
- Spießberg — Dreiherrenstein am Hangweg
- Neue Ausspanne — Ausspanne Neuhöfer Wiesen
- Ausspanne Neuhöfer Wiesen — Wachsenrasen
- Wachsenrasen — Abzweig Karin-Hütte
- Rondell — Schmücke
- Schmücke — Mordfleck
- Allzunah — Gr. Dreiherrenstein
- Limbach — Ortseingang Neuhaus (Rennsteig-km 110 — 116,0)
- Bahnhof Ernstthal — Waldstraße Piesau/Brandstraße (Rennsteig-km 120,8 — 125,0)
- Waldrand vor Spechtsbrunn — Kalte Küche (Rennsteig-km 127,5 — 129,5)
- Waldrand südöstlich "Kalte Küche" — Schildwiese (Rennsteig-km 130,0 — 132,0)
- Zwischen Kurfürstenstein und Blankenstein sind insbesondere die Abschnitte Rennsteig-km 144,3 — 148,2 sowie 148,5 — 155,3 sowie 160,6 — 161,7 sowie 163,5 — 164,2 sowie 167,5 — 168,3 unverändert.
Dagegen sind die nachfolgenden Abschnitte bereits verändert und somit von geringerem Denkmalwert. In diesen Abschnitten reicht der Gültigkeitsbereich des Kulturdenkmalensembles auf beiden Seiten des Rennsteiges jeweils 20 Meter:
- Clausberg — Vachaer Stein (Trassenführung durch Anlage eines Parallel-Weges verändert)
- Glasbach — Kleiner Weißenberg (Trassenführung durch Anlage eines Parallel-Weges verändert)
- Abzweig Tanzbuche — Heuberg (Trassenführung durch Anlage eines Parallel-Weges verändert)
- Heuberg — Abzweig Spießberghaus (Trassenführung durch Anlage eines Parallel-Weges verändert)
- Karin-Hütte — Grenzadler (chaussiert/Schotterstraße)
- Grenzadler — Rondell (durch Versorgungsleitungen stark verbreitert)
- Mordfleck — Allzunah (Trassenführung durch Anlage eines Parallel-Weges verändert)
- Stadtgebiet Neuhaus: historische Wegeführung verändert (Rennsteig-km 117,0 — 119,0)
- Gebiet Bahnhof Ernstthal, historische Wegeführung verändert
- Waldstraße Piesau — Brandstraße, historische Trassenführung verändert (Rennsteig-km 125,0 — 126,0)
- Gebiet Roter Berg vor Spechtsbrunn, historische Trassenführung verändert (Rennsteig-km 126,5 — 127,5)
- Kalte Küche — Waldrand, Kolonnenweg asphaltiert (Rennsteig-km 129,5 — 130,0)
- innerhalb der Teilstrecke Kurfürstenstein — Blankenstein sind folgende Abschnitte stärker verändert: 146,0 — 146,5 sowie 148,2 (Friedhof Brennersgrün) — 149,0 (Ochsenhut Brennersgrün) sowie 159,8 — 160,5 sowie 161,5 — 163,5 sowie 164,2 — 167,5
Erfurt, 23.09.1997
Landesamt für Denkmalpflege
Erfurt, 29.06.1999
Az.:INV/001/99
ThürStAnz Nr. 30/1999 S. 1665-1666
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