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Schönwappenweg
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Des Rennsteigs schönste wappengeschmückte Grenzsteine findet man auf bayerischem Gebiet, zwischen Steinbach am Wald und Brennersgrün, auf einer Teilstrecke von etwa einem Kilometer. Die Gründer des Rennsteigvereins, Ludwig Hertel und Johannes Bühring, verliehen diesem Stück des Rennsteigs deshalb den Namen „Schönwappenweg".
Warum so viele Grenzsteine? Als Weg auf dem Höhenkamm des Gebirges ließ sich der Rennsteig (der ohnehin für lange Strecken Grenze von Dialekten und Brauchtum war) recht praktisch als Trennlinie zwischen Hoheitsgebieten vereinbaren, und so findet man den Namen „Rynnestig“ zuerst in mittelalterlichen Urkunden als Grenzbezeichnung. Wohlgemerkt: Rennsteig bedeutet „schneller Verbindungsweg“, er war also Verkehrsverbindung, bevor er als Grenzlinie genannt wurde.
Ursprünglich machte sich niemand die Mühe, metergenaue Grenzen abzustecken. Als das Gebirge noch wenig bevölkert war und wirtschaftlich kaum eine Rolle spielte, also im Mittelalter, wurden höchstens in großen Abständen auffällige Bäume mit bestimmten Einkerbungen versehen („Lachen“), das genügte. Später aber kam es zu Grenzstreitigkeiten wegen Schürfrechten, Jagdrechten, Holz- und Weiderechten, und man musste die Grenzen unverrückbar festlegen - wie schnell war so ein Grenzbaum verschwunden.
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Zur Erinnerung an Karl Zenkel (1923 – 2005)
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Inzwischen waren aus mittelalterlichen Grundherren Gebietsfürsten geworden, die ihre Territorien streng verwalteten und ihre Macht auch nach außen demonstrieren wollten. So wurden die Grenzen „versteint“, also im Beisein von Vertretern der benachbarten Fürsten mit fortlaufend nummerierten behauenen Grenzsteinen bestückt. Wenn den Fürsten danach war und Geld in der Kasse, ließen sie ihre Wappen eingravieren, meist eher schlicht, manchmal recht aufwändig, und am aufwändigsten hier, am Schönwappenweg.
Man betritt, von Steinbach am Wald kommend, am Wanderparkplatz auf der Lauenhainer Höhe den Wald, an der Straße nach Lehesten, gegenüber der großen Windkraftanlage. Nach wenigen hundert Schritten zweigt vom Rennsteig ein Weg nach links ab, er führt uns zu einem Teil des Schönwappenwegs, der streng genommen nicht zum Rennsteig gehört, aber sehenswert und kaum ein Umweg ist.
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Landesgrenzsteine Nr. 625 und 629
Diese barocken Prachtstücke von 1727 sind fast identisch und stammen wohl vom gleichen Meister. Sie sind außerordentlich gut erhalten, so dass sich der kleine Umweg vom Rennsteig lohnt.
Die bayerische Seite zeigt das Wappen der Markgrafschaft Bayreuth, den „Brandenburger Adler“. Darunter die Inschrift:
V G G
G F C M Z B
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Das heißt vollständig: „Von Gottes Gnaden Georg Friedrich Carl Markgraf zu Brandenburg“. Dies war einst die Grenze der Markgrafschaft Ansbach-Bayreuth, Amt Lauenstein. Damit hat es folgende Bewandtnis:
Zu der Zeit, wo die hohenzollernschen Burggrafen von Nürnberg aus der meranischen Erbschaft Bayreuth (später „Burggrafschaft Nürnberg oberhalb des Gebirges“, „Oberland“ genannt, wie das 1331 erworbene Ansbach „Burggrafschaft Nürnberg unterhalb des Gebirgs“, „Unterland“) erwarben, – Mitte des 13. Jahrhunderts – gehörte die Herrschaft Lauenstein noch nicht dazu. Unbekannt, wann und woher, kam sie an die Orlamünder Grafen. 1367 stirbt Friedrich von Orlamünde, „Herr zu Lauenstein“. 1427 muss der Orlamünder aber schon Lauenstein von dem brandenburgischen Markgrafen zu Lehen nehmen und bereits 1430 den ganzen Besitz aus Geldnot an die Grafen Ernst und Ludwig von Gleichen zu Blankenhain verkaufen. Es tritt nun häufiger Besitzwechsel ein, bis Johannis 1506 Freiherr Heinrich, Ritter von Thüna die Herrschaft an sich brachte. Sein Haus behauptet sich bis 1622 im Besitz und verkauft dann das Ganze an die Lehensherren, die Markgrafen von Brandenburg.
Im markgräflichen Hause waren inzwischen große Änderungen vor sich gegangen. Nach der Achillesischen Hausordnung (1473) übernahmen die jüngeren Söhne des Markgrafen Albrecht Achilles die fränkischen Lande. Markgraf Georg schloss sich 1527 der lutherischen Lehre an. Nach dem Aussterben dieser älteren markgräflichen Linie traten 1603 infolge des Geraer Hausvertrages von 1598 die Söhne des brandenburgischen Markgrafen Johann Georg die Herrschaft an: Christian, der ältere, stiftet die Bayreuther, Joachim Ernst, der jüngere, die Ansbacher Linie. Bayreuth fällt (mit Lauenstein) 1769 an Ansbach. 1791 tritt der letzte Markgraf von Ansbach-Bayreuth, Karl Alexander, sein Fürstentum an Preußen ab, das es bis 1805 durch Hardenberg verwalten lässt.
Nach dem siegreichen Feldzug von 1806 lässt sich Napoleon im Schönbrunner Vertrag (15. Dezember 1805) von Preußen Ansbach einräumen, um es am 15. März 1806 an Bayern zu überlassen. Durch den Feldzug von 1806 ging dann auch die Markgrafschaft Bayreuth (Hauptstädte Erlangen und Bayreuth) für Preußen verloren. Sie musste im Tilsiter Frieden mit abgetreten werden, nachdem 1809 aufs neue bayrisches Blut im Interesse des napoleonischen Staatensystems geflossen war.
Das Amt Lauenstein teilte diese letzten Schicksale der bayreuthischen Lande indes nicht mehr. Im Zusammenhang mit dem Reichsdeputationshauptschluss (beendet 25. Februar 1803) kam es am 30. Juni 1803 zu einem preußisch-bayrischen Ländertauschvertrag (Ansbacher Vertrag), wonach das Amt Lauenstein bereits am 1. Januar 1804 gegen die Stadt Kupferberg, den Marktflecken Ennchenreuth und das Pfarrdorf Mariaweiher – geistliche, sämtlich in der Nähe von Stadt Steinach günstig gelegene Besitzungen, die beim Reichsdeputationshauptschluss 1803 säkularisiert worden waren, – an Bayern abgetreten bzw. ausgetauscht wurde. Unter bayerischer Regierung wurde dann Ludwigsstadt Vorort des Bezirks.
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Auf der Thüringer Seite erblickt man, mit Fürstenhut geschmückt und in barockem Rahmen, erhaben das Wappen des Herzogtums Sachsen: Das mit dem gebogenen Rautenkranz belegte, mehrfach geteilte Schild.
Darunter die Inschrift:
V G G J E H Z S
J C V B
Das heißt vollständig: “Von Gottes Gnaden Johann Ernst Herzog zu Sachsen, Jülich, Cleve und Berg”. 1727 ist das Jahr der Steinsetzung.
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Auf dieser Seite lag einst das Herzogtum Sachsen-Meiningen mit seinem Kreis Saalfeld, Nachfolger des Kurfürstentums Sachsen. Dieses Gebiet gehörte ursprünglich zur Probstei Zella, die von der Saalfelder Abtei aus gegründet wurde und urkundlich zuerst 1225 genannt wird. (Dobenecker, Reg. Thur. II Nr. 2243) Doch beweist der Kurfürstenstein von 1513 (siehe unten) für diese Zeit bereits kursächsischen Besitz. 1526 kam das Gebiet dann durch Schenkung an den Grafen Albrecht von Mansfeld, 1563 zurück an Sachsen, 1572 an das Herzogtum Weimar, 1693 an die ältere Linie Altenburg, der es auch bei der Teilung 1640 verbleibt. Altenburg stirbt mit Friedrich Wilhelm III. von Altenburg-Koburg 1672 aus und an Ernst I. (den Frommen) und nach dessen Tode (1675) im Jahre 1680 an die Linie Saalfeld. Ihr Erbgebiet geht 1826 an Sachsen-Meiningen über.
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Dreiwappenstein am Kießlich (Landesgrenzstein Nr. 634)
Auf unserem Weg nach Blankenstein ist dies der letzte der noch übrigen Dreiherrensteine des Rennsteigs (einst waren es 13, heute sind es noch 6). Dreiherrensteine markierten die Stelle, wo drei Herrschaftsgebiete bzw. Grenzlinien an einander stießen.
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Angeblich pflegten hier die Burschen der Umgebung ihre Messer zu wetzen, um dadurch die Kraft dreier Herren (= Herrscher) zu erlangen. Die schweren Beschädigungen an der einen Seite, auf der man noch die Reste des Brandenburger Adlers erkennt, stammen dagegen aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg – amerikanische oder sowjetische Soldaten haben wohl den Adler als vermeintlich preußisches Symbol zerstören wollen.
Diese (nordwestliche) bayerische Seite zeigt erhaben das Wappen der Markgrafschaft Bayreuth, der Brandenburger Adler, als Fragment. Unter dem Wappen das Fragment der Jahreszahl „717“ = 1717, das Jahr der Steinsetzung. Die Inschrift
I 4 O C T O B
lautet vollständig: „DEN 4. OCTOBER“.
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Auf der südwestlichen, ebenfalls bayerischen Seite, sehen wir erhaben das Wappen des Hochstifts Bamberg, das Amtswappen des Bischofs Lothar Franz Graf von Schönborn (1693 – 1729), der zugleich Erzbischof von Mainz war.
Das Schild ist durch dreifache Spaltung und einmalige Querteilung in 6 Felder geteilt und hat ein Mittelschild. In den Feldern 1 und 6 der Bamberger Löwe, seitlich gewendet und mit Schrägleiste belegt, im Feld 3 drei Schildlein und im Feld 4 ein Querbalken, begleitet von den drei Rauten, im Feld 2 das Mainzische Rad (sechsspeichig), das auch im Feld 5 enthalten war und jetzt ausgeschlagen ist.
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Im Mittelschild (Fragment) auf drei Spitzen ein schreitender Löwe. Das 3. und 4. Feld beziehen sich auf Schönborn. Unter dem Wappen die Jahreszahl „171“ = 1717, das Jahr der Steinsetzung. Die vollständige Inschrift lautet: „DEN 4. OCTOBER“.
Das reichsunmittelbare Bistum Bamberg, kaiserliches Hochstift, berührte an ganz wenigen Stellen den Rennsteig, so hier bei Steinbach am Wald und dann noch zwischen Kehlbach und Waldhaus. Bischof Georg III., Erbschenk von Limburg (1505 – 1522), war mit Luther befreundet. Im 30jährigen Krieg bildete Schweden aus den Bistümern Bamberg und Würzburg zu Gunsten Bernhards von Weimar ein Herzogtum Franken. Bernhard, damit belehnt am 16. Juli 1633, überträgt die Verwaltung seinem Bruder Ernst (der spätere Ernst der Fromme) und verliert das Herzogtum infolge der Schlacht bei Nördlingen 1634. Bischof Lothar Franz (1693 – 1729) war zugleich Erzbischof von Mainz, Friedrich Karl (1729 – 1746) war, wie auch seine drei Nachfolger, zugleich Fürstbischof von Würzburg. 1802 wurde das Fürstbistum zu Gunsten Bayerns säkularisiert, d.h. der Bischof war fortan nicht mehr der weltliche Herrscher. 1817 wurde das Bistum Bamberg zum Erzbistum erhoben.
Die Grenzsteinreihe, die einst von hier beginnend das bayreuthische und das bambergische Gebiet trennte, ist verschwunden; sie wurde wohl nach der Übernahme durch das Königreich Bayern eingezogen.
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Die nach Thüringen weisende Seite zeigt erhaben das Wappen des Herzogtums Sachsen, das mit dem Rautenkranz belegte, mehrfach geteilte Schild. Darunter die Jahreszahl „1717“, das Jahr der Steinsetzung.
Die fragmentarische Inschrift
„N 4 O C T O"
lautet vervollständigt „DEN 4. OCTOBER".
Laut dem Lehestener Stadtbuch stand an der Stelle des jetzigen Dreiwappensteines am Kießlich einst ein anderer, 1619 errichteter Dreiherrenstein, auf welchem an der sächsischen Seite, nach Lehesten zu, der Rautenkranz mit den Anfangsbuchstaben des altenburgischen Herrschers (wie am Großen Bischofsstein) und die Jahreszahl 1619, an der bambergischen Seite das Stiftswappen angebracht war, während die dritte Seite das Thünaische Wappen zeigte, da die Herren von Thüna damals das markgräfliche Amt Lauenstein (s.o., bei den Steinen 625 u. 629) besaßen.
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Kleiner Bischofsstein (Landesgrenzstein Nr. 638)
Auf der bayerischen Seite sieht man erhaben das Wappen des Hochstifts Bamberg: Im ovalen Schild ein zur Seite gewendeter, mit Schrägleiste belegter Löwe. Über dem Wappen das Fragment einer Inschrift „G G M“. Die vollständige Inschrift ist unbekannt. 1651 ist das Jahr der Steinsetzung.
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Thüringer Seite: Erhaben das Amtswappen des Herzogtums Sachsen, das mit dem Rautenkranz belegte, mehrfach geteilte ovale Schild. Über dem Wappen das Fragment einer Inschrift „W – C V B“. Die vollständige Inschrift und der erläuternde Text sind unbekannt.
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Großer Bischofsstein (Landesgrenzstein Nr. 648)
Auf der bayerischen Seite sieht man erhaben das Amtswappen des Fürstbischofs Johann Gottfried von Aschhausen, Bischof von Bamberg (1609 – 1622) und nach dem Tode Julius Echters (1617) auch Fürstbischof von Würzburg.
Im gevierten Schild befindet sich in Feld 1 und 4 ein fünfspeichiges Rad, in Feld 2 und 3 der Bamberger Löwe (seitlich gewendet und mit Schrägleiste belegt).
Über dem Wappen das Fragment einer Inschrift „G B Z B W V H".
Vollständig lautet die Inschrift vermutlich: „J G B Z B W V H Z F",
das heißt: „Johann Gottfried, Bischof zu Bamberg, Würzburg und Herzog zu Franken“.
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Auf der Thüringer Seite befindet sich erhaben das Wappen des Herzogtums Sachsen, das mit dem Rautenkranz (schräg links) belegte, mehrfach geteilte Schild.
Über dem Wappen das Fragment der Inschrift „V S A L T L I N"
Die vollständige Inschrift lautet vermutlich: „H Z V S A L T L I N",
das heißt “Herzog zu Sachsen Altenburger Linie“ (vgl. Beschreibung zu Steinen 625 und 629). Unter dem Wappen die Jahreszahl 1619, das Jahr der Steinsetzung.
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Kurfürstenstein (Landesgrenzstein Nr. 656)
Er ist der älteste und zugleich der schönste Wappenstein des Rennsteigs. Im Jahre 1513 gesetzt, ist er außerdem der älteste wappengeschmückte Grenzstein Deutschlands.
Die bayerische Seite zeigt erhaben das Amtswappen des Bamberger Fürstbischofs Georg III. Schenk von Limburg (1505 – 1522), der ein gelehrter und wohlwollender Herrscher und Ratgeber Kaiser Maximilians I. auf dem Reichstag zu Augsburg war, später stand er mit Luther im Briefwechsel. Er ist derselbe, der in Goethes „Götz von Berlichingen“ eine hervorragende Rolle spielt.
Im gevierten Schild im Feld 1 und 4 ein rechts gewendeter, mit Schrägleiste belegter Löwe (Bamberger Löwe). Feld 2 ist mit drei Spitzen geteilt (fränkischer Rechen), im Feld 3 fünf Turnierkolben.
Über dem Wappen die fragmentarische Inschrift „g vo gotts Gnade 1513“,
das heißt vermutlich vollständig: „georg von gotts gnade 1513 bischove zu bamberg“ oder „Georg von Gottes Gnaden 1513, Bischof zu Bamberg“.
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Auf der Thüringer Seite ist erhaben ein Doppelwagen zu sehen, ein Schild mit zwei gekreuzten Schwertern, die Spitzen aufwärts gekehrt (Hinweis auf das Erzmarschallamt, das mit der Kur Sachsen verbunden war). Daneben das mit dem gebogenen Rautenkranz belegte, in zehn Plätzen geteilte Schild.
Über dem Wappen das Fragment der Inschrift
„von gotts gnade fridri
churfürst vn has gbrude
herezoche zv sacssen 151"
was richtig wohl heißt: „von gotts gnade fridrich churfürst vn has gbruder herezoche zv sacssen 1513“ und bedeutet: „Von Gottes Gnade Friedrich, Kurfürst, und Hans (Johann), sein Bruder, Herzöge zu Sachsen“. 1513 ist das Jahr der Steinsetzung.
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Friedrich der Weise (gestorben 1525) und Johann der Beständige (gestorben 1532) waren Herzöge und nach einander Kurfürsten von Sachsen. In der Hollywood-Verfilmung des Lebens Martin Luthers wird Friedrich der Weise gespielt von dem unvergleichlichen Sir Peter Ustinov in seiner letzten Filmrolle. In Wahrheit war der Wettiner allerdings wohl sehr viel korpulenter als der feinsinnige geadelte Kosmopolit.
Das Adelsgeschlecht der Wettiner hatte sich im Mittelalter nach und nach zu einer der mächtigsten Dynastien im Deutschen Reich gemausert. Ursprünglich Markgrafen von Meißen, hatten sie nach dem Aussterben der Thüringer Landgrafen deren Thüringer Besitzungen erhalten und später neben anderem das Herzogtum Wittenberg. Mit diesem war der Titel „Kurfürst von Sachsen“ verbunden – die Wettiner nannten sich fortan „Haus Sachsen“, die Bezeichnung wurde auf ihre Länder übertragen. So kamen die heutigen „Sachsen“ zu ihrem Namen! Die Kurfürsten „kürten“, d.h. wählten die Kaiser des mittelalterlichen Deutschen Reiches, sie waren die Oberliga der Reichsfürsten.
Doch bereits 1485 machten die zunächst gemeinsam regierenden Brüder Ernst und Albrecht den Fehler, das gewaltige Wettiner Herrschaftsgebiet unter einander aufzuteilen. Ernsts Nachkommen hatten Pech, nach dem Schmalkaldischen Krieg mussten sie ihre Kurfürstenwürde (deren Wahrzeichen, die gekreuzten Schwerter, auf unserem Stein gleichwertig neben dem wettinischen Hauswappen zu sehen ist) an die in Dresden herrschenden albertinischen Vettern abgeben. Die Ernestiner teilten fortan ihr (im wesentlichen aus Thüringen bestehendes) Herrschaftsgebiet ständig unter ihren Nachfahren auf. Diese Klein- bis Zwergstaaten nannten sich dennoch stolz nach ihren Vorfahren: „Sachsen-Weimar-Eisenach“, „Sachsen-Coburg-Gotha“, „Sachsen-Altenburg“, „Sachsen-Meiningen“, „Sachsen-Hildburghausen“ usw.
Politisch unbedeutend, waren sie mit ihren fürstlichen Höfen immerhin so etwas wie fruchtbare Kleinbiotope der deutschen Kulturgeschichte: Man denke nur an die sogenannte Weimarer Klassik. Und in der Biedermeierzeit gelang einem von ihnen der ganz große Wurf, als Sachsen-Coburg-Gotha einen seiner Prinzen zum König von Belgien und später einen anderen zum geliebten (!) Gemahl Victorias aufsteigen sah, der Königin von Großbritannien und Kaiserin von Indien. Das englische Königshaus hieß daher eigentlich „Saxe-Coburg-Gotha“, hat seinen Namen aber aus politischer Rücksichtnahme im Ersten Weltkrieg in „Windsor" geändert. Honi soit qui mal y pense...
Seinem Range angemessen dient der „Große“ Kurfürstenstein dem Rennsteigverein von alters her als weihevoller Ort für eine der wichtigsten Zeremonien der Rennsteigwanderer:
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Wer zum ersten Mal auf einer Runst (RV-Traditionswanderung des kompletten Rennsteigs) mitgeht, und zwar in der Richtung Hörschel – Blankenstein, wird am sechsten und letzten Tag der Wanderung am Kurfürstenstein zum „Altrenner“ geschlagen. (In Jahren mit gerader Jahreszahl führt die Runst von Blankenstein nach Hörschel, dann wird am Steinkreuz Wilde Sau bei Eisenach getauft.) Dazu kniet der Jungrenner vor dem ehrwürdigen Steine nieder, legt die rechte Hand darauf und wird durch Berührung mit dem Wanderwimpel, ersatzweise einem Stecken, in die Gemeinschaft der zünftigen Rennsteigwanderer aufgenommen.
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Gleichzeitig erfährt er seinen persönlichen Rennernamen, mit dem er fortan auf dem Rennsteig genannt werden wird (der Verf. dieser Zeilen trägt seit 1997 stolz den Namen „Steinweiser“). Das „Ehrenschildlein“, das der Rennsteigverein seinen Altrennern verleiht, ist die Mutter aller deutschen Wanderabzeichen.
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Gleich gestaltet sind die – nicht am Rennsteig liegenden – Kurfürstensteine Nr. 661 und Nr. 663, leider sind sie weniger gut erhalten. Beim Stein Nr. 663 ist das Wappen mit dem Rautenkranz ausgeschlagen. Bei den Wappensteinen sind die Steinnummern auf den Seiten eingemeißelt, lediglich beim Stein Nr. 661 ist die Nummer oben angebracht.
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Weitere Sehenswürdigkeiten am Schönwappenweg
Die Zeit der deutschen Kleinstaaten und ihrer Landesgrenzen ging zwar als Folge des Ersten Weltkrieges endgültig vorbei, denn das wilhelminische Kaiserreich hatte die Fürstenherrschaften noch bis 1918 konservieren können. Dennoch hinterließen auch spätere Epochen ihre Spuren am Schönwappenweg.
So findet man, in Richtung Brennersgrün gehend auf der linken Seite, als Grenzstein Nr. 636 eine vierkantige Säule mit den Konturen eines bayerischen Löwen und der Jahreszahl 1935 – eine Kuriosität, denn Ländergrenzsteine brauchte es nach dem Ende der Kleinstaaten wirklich nicht mehr. Welche Absicht steckte wohl hinter diesem Anachronismus?
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Vielleicht bringt ein Blick auf die Thüringer Seite des Rätsels Lösung. Darauf befindet sich ein Thüringer Löwe, ebenfalls mit Jahreszahl 1935, und – ja wirklich, in der erhobenen Pranke hält er die Reste eines Hakenkreuzes!
Es darf vermutet werden, dass die NS-Herrschaft vorhatte, ebenfalls am Rennsteig ihre Spuren zu hinterlassen, in der erlauchten Umgebung historischer Wappensteine. Doch was als Machtsymbol eines „tausendjährigen Reiches“ gedacht war, ist heute, nachdem der zwölfjährige Spuk lange vorbei ist, Mahnung an eine Epoche unvergleichlicher Barbarei und Unmenschlichkeit.
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Nicht weit davon liegt, ebenfalls auf der linken Seite, ein umgeworfener Betonpfosten am Boden, die verbogene Eisenarmierung verbindet ihn noch mit seinem Fundament.
Reste von schwarz-rot-goldener Bemalung verraten, dass dies ein Markierungspfosten an der ehemaligen innerdeutschen Grenze war, dem „Eisernen Vorhang“. Nach dem Zweiten Weltkrieg als Grenze der Sowjetzone entstanden und im Laufe der Jahre als „Staatsgrenze West“ der DDR zur Perfektion gebracht, sollte dieses ausgeklügelte System von Zäunen, Stacheldraht, Minengürteln, Wachtürmen, Hundelaufanlagen, Leuchtfallen bis hin zu Selbstschussanlagen jeden Plan zur „Republikflucht“ von vornherein vereiteln.
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Die Grenzlinie verlief unmittelbar am Schönwappenweg entlang, die breite Schneise wächst langsam zu. An der als mustergültiges Blockhaus erbauten Schutzhütte „Kurfürstenstein“ sind Infotafeln angebracht, die außer den Steinen des Schönwappenwegs die Konstruktionsweise der einstigen DDR-Grenzanlagen darstellen.
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Eine Schlussbemerkung ist nun fällig, die der heutigen Zeit Rechnung trägt. Dazu wollen wir in Gedanken zurück gehen zum Dreiwappenstein am Kießlich. Nicht weit davon, auf der nach Thüringen weisenden Seite des Wegs, fanden wir bei einer Kontrollbegehung im Mai 2005 die Trümmer des Grenzsteins Nr. 641.
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Das „K“ für „Königreich Bayern“ ist gerade noch zu erkennen. Spuren von Raupenketten verrieten, dass ein schwerer Holzschlepper mitten über diesen 1851 gesetzten Grenzwächter hinweg gefahren war und ihn so zermalmt hatte. Und in der Nähe des Kurfürstensteins stellten wir fest, dass der einst schmale Wurzelpfad des Schönwappenwegs mit schwerem Gerät zur breiten Piste ausgewalzt worden war. Da die Pfingstrunst zehn Tage zuvor noch nichts bemerkt hatte, war der Zeitraum des Rennsteigfrevels ziemlich genau feststellbar. Es darf vermutet werden, dass der Einsatz moderner Forsttechnik bei Holzarbeiten diese Spuren hinterlassen hat. Die Gleichgültigkeit der heutigen Forstwirtschaft gegenüber dem Rennsteig und seinen wertvollen Steinen verschlägt einem den Atem – damit wird klar, dass die regelmäßige Überwachung unseres geliebten Weges und die öffentliche Anprangerung von Zerstörungen wichtiger denn je geworden sind. Der Rennsteigverein hat dazu erste vorbereitende Maßnahmen getroffen.
Es ist höchste Zeit.
Ullrich Göbel
Quellen:
- Johannes Bühring/ Ludwig Hertel, Der Rennsteig des Thüringer Waldes, 3. Aufl. Zeitz 1930
- Otto Ludwig, Der Rennsteig, 2. Aufl. Rudolstadt 1991
- Merkblatt von Karl Zenkel
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